So was hatte es noch nie gegeben: In der Avenches-Vorschau im Paris Turf von heute Donnerstag, figuriert Playboy als "cheval de la réunion" und Timoa als "le cheval à la place" - als Zugabe ist Wim "Le jockey à suivre" - alle drei Rubriken, in denen Denis Roux für den Paris Turf einzelne Kandidaten herauspickt, sind also für einmal in Allegra-Hand.
Auch in den Renn-Vorschauen bezeichnet er Playboy als "bien évidemment le cheval à battre" und Timoa als "une favorite toute indiqué".
Schön, wenn unsere Pferde so hoch eingestuft werden. Wir sind sehr gespannt, wissen aber natürlich, dass jedes Rennen erst gelaufen werden muss und dass Pferderennen keine Wunschkonzerte sind. Es ist etwas wie in Brasilien derzeit: Ein Freistoss aus guter Distanz oder gar ein Penalty garantiert noch kein Tor, aber die Spannung steigt und es sind gute Chancen.
Playboy kommt nun zum dritten Mal an ein Rennen nach Avenches. Der Ablauf war bisher so, dass er am Vortag (einmal sogar noch früher, weil wir den Versicherungs-Untersuch hier in der Schweiz in Ruhe durchführen wollten) anreiste, im Stall von Marcel Humbert eine Boxe bezog und sich dort für sein Rennen erholen konnte. So wollten wir es auch diesmal machen.
Doch genau dies, nämlich Playboy in eine seiner von IENA gemieteten Boxen zu lassen, wurde Marcel Humbert offiziell verboten. Begründet wurde dieses Verbot mit dem Risiko einer Epidemie, weil Playboy regelmässig in Italien laufe. Peng, das ist ja ein Ding! (dazu muss man wissen, dass Italien zum Teil sogar noch strengere Regeln hat als wir hier in der Schweiz: So kommt gemäss Wim kein Pferd überhaupt erst auf eine Rennbahn, ohne Vorweisen des Pferdepasses unmittelbar beim Eingang. Was bei uns ja definitiv nicht so ist! Hier kann jeder mitbringen, was und wen er will. Kontrolliert werden nur die Pferde, die effektiv im Rennen laufen.)
Die Erkrankung vor der man in Avenches Angst hat heisst "Equine Infektiöse Anämie" (EIA), auch ansteckende Blutarmut der Einhufer genannt. Dabei handelt es sich um eine ansteckende Viruserkrankung der Pferde - sie führt zu hohem Fieber, Blutarmut, Abmagerung und Leistungsschwäche.
Ein solcher Fall von EIA hat im Herbst 2012 das Galopp-Trainingszentrum in Köln lahmgelegt. Das ganze Zentrum wurde für drei Monate unter Quarantäne gestellt, kein einziges Pferd durfte es verlassen - so dass Danedream nicht zur Titelverteidigung an den Arc de Triomphe in Paris reisen konnte.
Wir sind uns natürlich bewusst, welche Gefahren von dieser Krankheit ausgehen. Doch wieso nun ausgerechnet Playboy (und nur er!) wie ein potentiell Aussätziger behandelt werden soll, verstehen wir absolut nicht.
Die Krankheit wird gemäss der ausführlichen Information auf der Homepage des Bundesamtes für Landwirtschaft (hier geht es zur Info-Page!) "meist durch den Stich von Insekten übertragen (Mücken, Fliegen, Bremsen) oder durch engen, langandauernden direkten Tierkontakt."
Also "engen, langandauernden direkten Kontakt" mit Pferden aus dem Quartier von Marcel Humbert hatte Playboy definitiv nie.
Das IENA hat schon im Herbst 2012, als Reaktion auf den Fall in Köln, vernünftigerweise Massnahmen erlassen. Aus dem Ausland kommende Pferde müssen zwingend einen sogenannten "Coggins-Test" mitbringen, der nicht älter als 30 Tage alt und "negativ" ist. Das heisst, es dürfen im Blut des Pferdes keine Antikörper gegen den Erreger EIA vorhanden sein.
So weit, so vernünftig. Diesen Coggins-Test bringt Wim für Playboy selbstverständlich zusammen mit einem europäisch standardisierten Gesundheitszeugnis immer mit - mehr noch, wir haben (im Wissen um die Wichtigkeit) das Ergebnis des Testes jedes Mal (diesmal am Montag) bereits vorgängig an das Suisse Trot-Sekretariat geschickt.
Nun stellt sich Gilles Thiebaud, der Vertrauenstierarzt von Jean-Pierre Kratzer (und inzwischen auch des SPV und IENA), auf folgenden Standpunkt, der uns in schriftlicher Form (auf französisch) vorliegt: "Damit ein Pferd bei diesem Test 'positiv' ist, also genügend Antikörper gebildet hat, die nachgewiesen werden können, braucht es eine Zeitspanne von bis zu 45 Tagen. Wie bei AIDS bedeutet ein negativer Test 10 Tage nach einem Kontakt mit dem Virus nichts!"
Wenn man das alles konsequent weiter denken würde, ergäbe sich für das IENA ein gewaltiges Massnahmen-Paket. Denn zur Verbreitung des Erregers schreibt das BLV: "Der Erreger ist weltweit verbreitet. In Europa ist die Krankheit in Rumänien ausgebrochen, und auch in Italien und in Frankreich tritt die Krankheit immer wieder auf. In der Schweiz ist sie hingegen seit 1991 nicht mehr aufgetreten."
So, Italien ist explizit genannt, das bestreiten wir nicht. ABER auch Frankreich! Und von wo her kommen die meisten Pferde, die hier laufen? Die meisten Gäste, auch in den letzten Wochen immer wieder?
Es darf dann aber konsequenterweise nicht nur um die Gäste gehen. Viel wichtiger ist es dann, dass neue Pferde, die aus dem Ausland (eben vor allem auch aus Frankreich!) kommend, in ein Trainingsquartier hier in der Schweiz integriert werden, gleich behandelt werden! Zieht man das dann konsequent durch, müssten diese Pferde nicht nur einen Coggins-Test mitbringen, wenn sie ankommen - sondern sie müssten auch für mehrere Tage bis Wochen von den anderen Schützlingen des Trainers separiert werden (Stichwort "Quarantäne"...) und dürften erst nach nochmaligem negativem Coggins-Test vom neuen Schweizer Trainer in seinen Stallungen beherbergt werden.
Ob dies überall in der Schweiz, auch in kleineren Quartieren praktikabel ist? Und ob dies wirklich auch der Verhältnismässigkeit entspricht? Jeder kann sich seine eigenen Gedanken dazu machen.
Ein paar Fragen noch, die bei uns aufgetaucht sind: Wie ist es denn, wenn eine Stute aus Avenches mit einem Konkurrenten im gleichen Transporter nach Frauenfeld fährt (wie am Sonntag so geschehen), dieser Konkurrent aus einem grossen Handelsstall kommt, in welchem Pferde aus vielen Ländern Europas ein- und ausgehen? Besteht nicht auch dann potentiell die Möglichkeit, eines Kontaktes zu einem Virus-Risiko-Gebiet?
Wir sind keine Tierärzte, aber mit mehr oder weniger gesundem Menschenverstand kann jeder Überlegungen in diese Richtung anstellen.
Gilles Thiebaud kündigt in seiner E-Mail-Nachricht in den kommenden zwei bis drei Wochen die Kommunikation weiterer Massnahmen betreffend den Schutz von IENA an, es gebe dann eine Informations-Veranstaltung für die Mieter von IENA. Wir werden dies mit Spannung verfolgen.
Im aktuellen Fall mit Playboy werden wir den Eindruck nicht los, man wende bei Playboy nicht die gleichen Masstäbe an wie bei den anderen. Die seit mehreren Monaten für alle gültigen Regeln (bisher galt: Wer den Pferdepass und einen negativen Coggins-Test, der maximal 30 Tage alt war, vorweisen konnte, durft mit dem Pferd in die Stallungen von IENA) wurden offenbar schleunigst für Playboy angepasst, konkret mit dem Hinweis, dass "dieses Pferd ein Problem darstelle" (Zitat aus dem E-Mail von Gilles Thiebaud).
Ein letzter Gedanken-Anstoss noch: Was, wenn ein in Avenches stationierter Trainer auf die Idee käme, mit einem seiner Pferde, für Rennen nach Italien zu fahren (es gibt ja den einen oder anderen Italiener hier, der in seinem Heimatland als Inländer interessante Rennen hätte)? Dürfte das Pferd dann bei der Rückkehr umgehend wieder zurück in seinen Stall oder müsste es auch in eine Gästeboxe übernachten? Und eben, was ist mit allen, die nach Frankreich laufen gehen? Dort ist der Virus ja gemäss BLV-Information auch aktiv...
Playboy kommt jetzt halt erst am Renntag an. Man hatte uns angeboten, ihn in einer Gästeboxe (wie am Renntag) unterzubringen. Aber wir möchten auf keinen Fall, dass Playboy mutterseelenallein eine Nacht dort verbringt - wenige Meter von der Stelle, wo sich vor ein paar Wochen Einbrecher mit Sprengstoff einen Weg bis ins Sekretariat zum Tresor "gebombt" hatten... Nein, das wollen wir nicht.
Danach hat es für Playboy ohnehin mindestens 2 Monate kein interessantes Rennen mehr in Avenches. Alles weitere werden wir sehen. Wichtig ist uns schlicht und einfach, dass alle gleich behandelt werden.
Für den Vorstand des Stall Allegra Racing Club,
Markus Monstein